Strafverteidigung

Die Strafverteidigung ist eine hohe Kunst. Das Strafen und Sichern ist einer der stärksten
hoheitlichen Eingriffe in die Rechtssphäre bzw. Existenz des Einzelnen. Daraus folgt im
Rahmen der sogenannten Rechtsstaatlichkeit die Verpflichtung, Eingriffe vorhersehbar
zu machen und deren Durchsetzung möglichst klar zu regeln. Im materiellen Strafrecht
(Strafgesetzbuch u.a.) und im Prozessrecht (Strafprozessordnung u.a.) wird diesen
Grundsätzen mehr oder weniger Rechnung getragen. Das Verfassungsrecht (GG) sowie
Rechtsgedanken, die weit über nationale Grenzen hinausreichen (z.B. Konvention zum
Schutz der Menschenrechte), schlagen sich hier nieder (z.B.die Unschuldsvermutung).

Für den Betroffenen geht es dabei fast immer um sehr viel. Auch im Rahmen vermeintlich
kleinerer Vorwürfe stehen vielfältige Rechtsfolgen neben der eigentlichen Strafe im Raum.
Zu bedenken sind z.B. Eintragungen in die Strafregister (Führungszeugnis ab 90 Tagessätzen
u.a.), eventuelle Auswirkungen auf zivilrechtliche Sachverhalte (z.B. Schadensersatzansprüche),
führerscheinrechtliche Folgen (Eignungszweifel), gewerberechtliche Folgen (Zuverlässigkeit),
berufsrechtliche Folgen (z.B. Ausbildungserlaubnis) oder auch aufenthaltsrechtliche
Konsequenzen (Ausweisung). Bei Verhaftungen - und sobald die Vorwürfe gewichtiger werden
und Freiheitsstrafen wahrscheinlich sind - wird es ohnehin existentiell.Nicht zu vergessen sind
auch die Auswirkungen des Strafverfahrens auf die soziale Situation des Betroffenen, der
möglichst seiner Familie und seinen Freunden und Bekannten danach noch in die Augen
schauen möchte.

Eine gute Strafverteidigung berücksichtigt diese individuellen Interessen des Mandanten.
Hierbei sind gehörige Rechtskenntnisse und Erfahrung unabdingbar. Erste Weichen
werden frühzeitig in der Auseinandersetzung mit Polizei und Staatsanwaltschaft gestellt.
Primäres Ziel wird es häufig sein, eine mündliche Verhandlung zu vermeiden. Aber auch
in der Konfrontation mit den Strafgerichten sollte die Verteidigung immer der Eindruck vermitteln
können, dass sie nötigenfalls Willens und in der Lage ist, sich auseinanderzusetzen.

Leider scheint häufig übersehen zu werden, dass eine solche Konfliktverteidigung kein
Selbstzweck ist. Es entsteht oftmals der Eindruck, dass sich zwischen Strafgerichten und
Strafverteidigern über die Jahre tiefe Gräben gebildet haben, die von vorne herein eine
Verständigung verhindern. Hieran dürften die Verteidiger nicht unbeteiligt sein. Die Mandanten
werden die Situation nur schwer einschätzen können und fühlen sich oftmals gut vertreten,
da ihre Verteidigung sich nichts gefallen zu lassen scheint und der Eindruck entsteht, es würde
alles versucht.

Die Rechtsanwälte können sich eigentlich auch nicht beklagen, denn bezahlt wird grundsätzlich
pro Verhandlungstag. Je länger der Prozess dauert, desto mehr wird regelmäßig verdient.
Am Ende eines solchen Konfliktes kann ein gutes Ergebnis stehen. Die Erfahrung zeigt jedoch,
dass häufig ähnlich gute oder bessere Ergebnisse mit einer kontrolliert konsensualen und
freundlichen Herangehensweise erzielt werden, in bedeutend kürzerer Zeit.

Es muss also in jedem Einzelfall und in Abhängigkeit von den Beteiligten und der Sachlage
genauestens abgewogen werden. Ein guter Verteidiger kann beides, Konsens und Konflikt.